Hallo,
nach langer Zeit heute ein Beitrag über die Nebenwirkungen der chemotherapeutischen Behandlung. Da ich im Moment (6:30h) noch hellwach bin von allzu vielen Cola-Getränken. Diesmal ist es ein Jammer-Beitrag ;-) denn es geht um die Nebenwirkungen der Chemotherapie. Nein, so soll es nicht verstanden werden, aber es könnte natürlich so wirken. Ich versuche es möglichst neutral darzustellen – die Anordnung ist dabei zufällig und stellt keine Rangliste ala “von schwer nach leicht” dar. Wer gerade beim Essen ist oder einen leicht reizbaren Magen besitzt – einfach gewisse Passagen überspringen. 1. Übelkeit / Erbrechen. Und da wäre auch schon der erste Knaller für den Leser mit flauem Magen. Eine der wohl heftigsten Nebenwirkungen. Prinzipiell ist die Übelkeit am stärksten während der Gabe der vierstündigen Infusion an Tag 1. Irgendwann muss man mal Aufstoßen und hat einen richtig miesen Geschmack im Mund. Zudem sammelt sich die ganze Zeit Speichel, auch dieser verändert sich in der chemischen Zusammensetzung. Es ist schwer zu beschreiben, aber es ist ein Geschmack von Gift. Dieses Erbrechen belastete mich vor allem während der ersten 3-4 Zyklen. In der Ambulanz gibt es noch ein Gegenmittel, aber das lässt nach. In weiser Voraussicht (meine Mutter hatte ja ebenfalls Darmkrebs und mich gewarnt) habe ich mir also einen Eimer hingestellt. Kluge Entscheidung: Teilweise kam über einen Zeitraum einer ganzen Nacht alle halbe Stunde etwas raus. Für mich gehörte es eine zeit lang “dazu”, bis ich dem Onkologen davon erzählte. “Sie müssen doch nicht leiden!” sagte er und verschrieb mir ein weiteres Mittel (nachdem 2 unterschiedliche nicht wirkten). Nun klappt es, ich kann EmEND empfehlen. Super Zeug! Reduktion des Erbrechens auf ein Minimum … dadurch minimiert ist dann auch … 2. Schwäche. Eigentlich etwas, was mich gar nicht mal so stört. Ich bin ja komplett krank geschrieben, habe glücklicherweise nur wenige Minuten Fußweg zur Ambulanz und kann den ganzen Tag im Bett liegen und schlafen. Allerdings sei die körperliche Schwäche doch erwähnt, da sie sich auch in der Erholungszeit zeigt. Ich fühle mich dann teilweise wie son 80-jähriger Rentner, wenn ich die Treppenstufen hochgehe. Es sind 20 Stück, schon nach einem kleinen Einkauf muss ich mich setzen und erstmal ein paar Minuten durchatmen, als wäre ich gerade einen Marathon gelaufen. Das gilt dann auch für andere Tätigkeiten, die Dusche erwähnte ich ja bereits in vorherigen Beitrag. Nach dem 50. Geburtstag meines Vaters habe ich rund 2 Tage fast durch geschlafen und das nur weil ich da längere Zeit gesessen habe. 3. Kälteempfindlichkeit. Oder genauer gesagt: Neuropathie, Nervenschädigung. Fast jeder kennt das Gefühl: Man selbst (oder ein Partner ;-)) liegt auf dem Arm. Morgens wacht man auf und siehe da: Der Arm ist “eingeschlafen” und kribbelt. Bei der Chemo ist es nun so, dass dieses elektrische Kribbeln bei Kälte entsteht. Und das nicht nur bei äußerer Kälte im Winter, sondern auch beim Anfassen von Gegenständen (Smartphone, alles aus dem Kühlschrank, Türklinke, …). Jedes mal kribbelt es am jeweiligen Körper teil, also den Armen, Finger, Po, Füßen. Und manchmal so stark, dass z.B. die Finger “taub” sind, bis sie wieder erwärmt werden. Was dann blöd ist, wenn ich gerade etwas greifen möchte. Ein ähnliches Gefühl gibt es dann auch im Gesicht. Lippe, Zunge, Nasenspitze und Wangen sind hier die Problemzonen. Dort fühlt es sich bei Kälte an, als würde dauerhaft ein Eiswürfel dran kleben. Allerdings habe ich wohl Glück: Von einigen Patienten wird berichtet, dass sie diesen Effekt ein Leben lang haben. Bei mir lässt es einige Tage nach der Chemo nach. Immer das Positive sehen! 4. Kopfschmerzen. Oder auch Schmerzen generell. Ein wenig blöd, da sie ganz spontan auftauchen. Ich versuche ja die wenigen Tage, an denen die Kraft da ist, herauszugehen, auch zu nutzen. Ein Spaziergang, ein Besuch bei Freunden. All das kann aber spontan ausbleiben, etwa 2 Mal pro Woche wache beispielsweise mit Kopfschmerzen auf. Einfach so. Manchmal auch am Schultergelenk, was natürlich mit dem vielen Liegen zusammenhängt. Oder auch mal an der OP-Narbe am Bauch. Zum Glück gibt es diverse Schmerzmittel, die helfen. Aber auch die brauchen ihre Zeit. Novalgin und Ibuprofen sind die Mittel meiner Wahl. Ich versuche es mittlerweile mit ein paar Übungen, damit wenigstens die Muskeln sich nicht ständig verhärten. Mal schauen. 5. Haarausfall. Achja, da war ja noch was! Der Haarausfall, die wohl bekannteste Nebenwirkung. Bei mir gar nicht mal so stark vorhanden. Es ist zumindest nicht ersichtlich, was stets für Verwunderung sorgt. Ich gehe relativ offen mit dem Thema um (klar, was bleibt mir anderes übrig, wenn jemand auf ner Party fragt “Und, arbeitest du noch bei …, wie läuft euer Projekt?, da komme ich automatisch irgendwann ins Stocken). Jedenfalls erzähl ich dann von der Erkrankung und der Chemotherapie und dann kommt das Staunen: Waaas, aber deine Haare sind doch alle dran? Es scheint schon eine Art Klischee aus Filmen zu sein, aber betrifft längst nicht jeden. In der Ambulanz sind es nach meinen Schätzungen auch nur 30 % mit Glatze. Bei mir sind es nur wenige Haare, zumindest muss es so sein, denn der Abfluss verstopft manchmal. Hätte allerdings gerne diese Nebenwirkung eingetauscht, es hätte mich schon interessiert ob mir der Bruce Willis-Style steht. ;-) 6. Dinge, die ich bisher nicht spürte. Insgesamt habe ich mir schon manchmal gesagt: Es könnte übler sein. Schon ein paar Mal sah ich ältere Patienten zusammenklappen, weil sie noch schlechter drauf waren. Ein Patient sprach mal mit mir und sagte, er hätte oft Fieber und Schüttelfrost. Er ist dabei so stark am Zittern, dass er nicht mal das Gegenmittel nehmen konnte, weil die Tablette immer wieder runter fiel. Ein Bekannter hat neulich auch eine Diagnose bekommen und als ich ihn traf, erkannte ich ihn nicht wieder – so stark hat er Gewicht verloren. Bei mir sind es vielleicht 10 Kilo, aber es ist kaum zu erkennen (hauptsächlich am Bauch, hehe) Sind meine Nebenwirkungen dem gegenüber nur Kleinigkeiten? Vielleicht. 7. Libido. Tja, die Lust auf Liebe und Sex - ist verloren gegangen. Sonst bestand stets in meinem Leben das Interesse eine Partnerin zu finden (oder zumindest zu flirten), aber derzeit: Kaum ein Gedanke daran. Neulich stand ich in einer Bar neben ein paar Menschen, bei denen ich hätte Interesse wecken können, aber mir war nicht danach. Der Kopf ist schlicht woanders. Ist vielleicht auch besser so, denn a) gilt die volle Konzentration dem Feind im Körper und b) wenn ich mir vorstelle, dass sich eine Person auf mich eingelassen hätte vor dieser Sache … das wäre doch zu viel Investition eines anderen Menschen. Es hätte mich auch überfordert, so etwas hätte ich nie wieder im Leben ausgleichen können. Zum Glück ging der Kelch vorbei, denn zeitweise bin ich wirklich ein emotionsloser Klumpen, der nur möchte, dass die Zeit vergeht. Vermutlich habe ich jetzt noch ein paar kleinere Dinge vergessen. Vielleicht schreib ich das nächste Mal auch von den „positiven Effekten“, wenn ich das so sagen kann. Übermorgen (2.1.2019) geht es ohnehin weiter und falls mir mein Körper dann noch etwas aufzeigt, wird das hier nachgetragen. :) Zunächst stehen aber die Silvesterfeierlichkeiten an, Hurra! Auf gehts in 2019, möge es besser werden für uns Alle.
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Wie am 2. Eintrag zu erkennen ist, wird der Blog nicht chronologisch. Da hätte ich früher anfangen müssen und irgendwie gefällt es mir auch nicht die Gedanken nach einer zeitlichen Reihenfolge einzubringen. Wäre dem so, müsste ich nun darüber schreiben, wie ich das Thema den Freunden, der Familie, dem Arbeitgeber vermittelt habe. Stattdessen handelt dieser Beitrag von der langen Zeit, in der „nichts“ passiert.
Zuvor habe ich bereits meine Hobbys beschrieben, nochmal zur Erinnerung: Schwimmen, Fahrradfahren, Spaziergänge, das Dasein als Zuschauer beim Fußball und auch gerne Mal „Party machen“. Doch die meisten dieser Aktivitäten fielen erst mal weg, aus verschiedenen Gründen. Der Körper ist nach der Chemotherapie ziemlich geschwächt. Schon kleinste Alltagstätigkeiten sind ziemlich anstrengend. Als Beispiel: Die Dusche. Normalerweise benötige ich dafür etwa 10 Minuten. Derzeit ist es etwa eine halbe Stunde, da allein da ich allein vom Abtrocknen völlig aus der Puste bin. An Fahrradfahren (was sowieso rechtlich heikel ist, ich habe so ein Ding unterschrieben, laut dem ich nicht am Verkehr teilnehmen darf …) oder Schwimmen ist daher nicht zu denken. Dazu kommt noch das Immunsystem, welches ja ebenfalls geschwächt ist. Man muss dazu sagen, dass ich hier ziemliche Angst habe, denn wer sich auch nur eine Erkältung einfängt, muss mit der Chemo pausieren. Ich will ja den Krebs besiegen und denke, das wird schwieriger, je mehr Zeit vergeht. Schon vor der ersten Chemo habe ich mir was eingefangen und lag 7 Tage mit Fieber im Bett – gerade so halfen die Antibiotika. Zwischen Chemo 1. und 2. waren 5 Wochen Pause, da eine Wunde nicht heilen wollte und eine Blutvergiftung bei Chemogabe befürchtet wurde. Auf weitere Zwangspausen habe ich keine Lust, insofern fordere ich meinen Körper auch nicht hinaus. Immerhin sind Spaziergänge drin; die Weser ist nicht weit weg. Leider beginnt nun die kalte Jahreszeit, weshalb diese auch wegfallen könnten: Die (vorübergehende) Nervenschädigung an Füssen, Händen, Lippen, Zunge, Wangen, Nase … führt dazu, dass schon bei 10 Grad nach wenigen Sekunden ein Kribbeln beginnt, was viele von einem „eingeschlafenen“ Arm kennen. Ächz. Derzeit bleiben mir neben den Spaziergängen also Hobbys, die Zuhause mit Heizung und Decke stattfinden: Filme, Serien (zum Glück hab ich u.a. Zugriff auf Amazon Prime, Netflix, YouTube und weitere Adressen), Bücher und Postcrossing. Das klingt zwar nicht so abwechslungsreich, ist es aber tatsächlich – sieht man es positiv, kann ich derzeit mal die ganzen Empfehlungen aus dem Freundeskreis abarbeiten, Dokumentationen schauen oder sonstigen Kram, der auf YouTube liegt. Erst gestern habe ich, es ist ja Schach-WM, mir Schach-Strategie-Videos angeschaut und weiß nun endlich, wie man „englisch eröffnet“. Hurra. Trotz allem ist es etwas langweilig zwischendurch. Da gibt es sogar Momente, an denen ich mir wünsche, dass ich nun endlich wieder die Therapie bekomme, da man mit der ganzen Übelkeit, dem Kotzen, den latenten Kopfschmerzen merkt, dass der Körper arbeitet, kämpft. Es vorangeht. Anregungen sind deshalb gerne Willkommen, neulich wurde mir Yoga empfohlen. Vielleicht gibt es da ja auch Videos? Da ich schon einen Klick habe, bevor ich den Link irgendwo einstellte, ein paar persönliche Angaben zu mir: Ich bin Dennis, seit dem 31.12.2017 30 Jahre, schon lange Single, geboren in einer Großstadt, umgezogen in eine Fast-Großstadt, mag Spaziergänge an Flüssen, Schwimmen (nicht in Flüssen), Fahrradfahren, beim Fußball als Zuschauer rumstehen und normalerweise als Schreiberling tätig. Bis zu dieser Angelegenheit …
Eigentlich ist es immer die Woche zwischen Weihnachten und dem Jahreswechsel, in der Ich selbst Bilanz ziehe und darüber nachdenke, wie die vergangenen 365 Tage so gelaufen sind. 2017 war zum Beispiel ein gutes Jahr: Das Berufsleben startete, ich hatte die erste eigene Wohnung, mein Umfeld freute sich für mich, ich konnte am Wochenende Ausflüge machen, fand Zugang zu Sport und anderen neuen Hobbys, und vermutete, dass es auch mit dem Liebesleben klappt. Nun haben wir noch nicht den 31.12.2018. Allerdings war dennoch die Zeit fuer ein erstes Resümee. Der Sport führte nicht zu Gewichtsverlust, die Liebesangelegenheit eine Fehleinschätzung, der VfL spielt scheiße und dann erwachte ich eines Montags aus der Darmspiegelung und wurde ins Arztzimmer gebeten ... Begonnen hat die Wartezimmer-Odysee allerdings bereits im März. Weil ich Ende des Jahres 30 wurde, dachte ich mir: „Warum nicht mal Blut abnehmen lassen? Kann ja nicht schaden!“ Ansonsten gab es keinen Anlass: Ich hatte kein Schmerzen, keine besonderen Symptome (Durchfall, Verstopfung, Blut im Stuhl, Gewichtsabnahme, Appetitlosigkeit …). Ich verspürte lediglich Müdigkeit/schneller Leistungsabfall bei körperlicher Tätigkeit, aber das schob ich auf den Job; redete ich z.B. mit Freunden drüber, hieß es stets „Geht mir auch so – die Lohnarbeit macht einen fertich!“ Bei diesem Bluttest stellte sich heraus, dass ich Eisenmangel habe, bzw. daraus folgend Blutarmut (Der entsprechende Wert beträgt bei Männern in meinem Alter etwa 12-16 XYZ*, meiner lag bei 8 XYZ*). Eisen ist verantwortlich für die Bildung roter Blutkörperchen, die Blutkörperchen wiederum u.a. für den Transport von Sauerstoff. Zu wenig Sauerstoff bedeutet kurz gesagt: Weniger Leistungsfähigkeit/Müdigkeit. Nun war die Frage: Was ist dafür verantwortlich? Ein Gendefekt? Keine Vorgeschichte. Aufnahmeprobleme während der Verdauung? Unwahrscheinlich, falsches Alter. Realistisch schien hingegen eine Blutung im Körper. Und da ich weder offen irgendwo tropfte, begann die Suche im Inneren. Zunächst im Magen, dann ein Ultraschall der Niere/Leber und zuletzt eine Darmspiegelung. Während die ersteren beiden Untersuchungen ohne Befund waren und ich samt Brief nach Haus geschickt wurde, sollte ich bei letzterer ins Arztzimmer. Dort die Diagnose: Verdacht auf Darmkrebs. Durch den ersten Schock blieben nur noch Gesprächsfetzen in Erinnerung. Es wurden viele Proben entnommen, es sei der erste Fall in seiner Karriere, bei dem ein Mensch so jung erkrankte und ob ich einen Menschen kenne, den ich heute noch treffen kann – um zumindest mal drüber zu reden. So schloss ich bereits einige Tage später – mit dem Beginn der OP – mit dem Jahr ab und verschob die Zeitrechnung für mich selbst. Das Leben fühlt sich seitdem ohnehin etwas anders an und beginnt sicherlich wieder „neu“, wenn alles vorbei ist. Bis zum Geburtstag sind es noch rund 3 Monate, vielleicht ist es dann bereits soweit. Bis dahin gilt es noch ein paar Wimpern wegzupusten und zu hoffen ... * Mir ist die Maßeinheit entfallen. |
AutorIn diesem Blog schreibe ich über meine Erfahrungen mit der Krankheit und vielleicht noch mehr. ArchivKategorien |